Stichwort FDP. Hans-Olaf Henkel hat sich im Hinblick auf die am 13.12.2011 anstehende Mitgliederbefragung zur Haltung der FDP zum ESM mit einem offenen Brief an die FDP-Mitglieder gewandt, den die "Junge Freiheit" aktuell veröffentlicht hat und der es wert ist wiedergegeben zu werden.
Henkel
listet all die Versäumnisse und gebrochenen Versprechen auf, die es überzeugten
Europäern wie mir, die allerdings den Euro nicht mit Europa verwechseln, so
schwer machen, optimistisch in die Zukunft zu blicken und sich in die Hände
derer zu begeben, die aus Eigennutz oder Unfähigkeit in der Vergangenheit ein
ums andere Mal grandios versagt haben, wenn es um das Gemeinwohl ging,
Stichwort Bankenaufsicht...
" Sehr geehrte Damen, sehr geehrte Herren,
in diesen Tagen bekommen Sie von Ihrem Bundestagsabgeordneten Frank Schäffler
im Rahmen eines Mitgliederentscheids einen Antrag zur Europolitik zusammen mit
einem Gegenantrag des Bundesvorstandes.
Zwar bin ich kein Mitglied der FDP, fühlte mich aber den liberalen Idealen Ihrer
Partei immer sehr verbunden und habe sie deshalb über viele Jahre in Wort und
Tat unterstützt. Mit Ihnen leide ich darunter, daß die FDP aus einem Landtag
nach dem anderen fliegt und in den Umfragen heute kaum noch eine Rolle spielt.
Wenn dazu noch die Sozialdemokratisierung der CDU/CSU voranschreitet und die
SPD immer weiter nach links gedrängt wird, hat der Niedergang der letzten
Partei, die sich noch eindeutig zu Freiheit, Selbstverantwortung und
Subsidiarität bekennt, nicht nur für Liberale, sondern für unser ganzes Land
fatale Folgen. Zu Recht weist der FDP-Bundes-vorstand darauf hin, daß die von
Herrn Schäffler angestoßene Mitgliederbefragung Sie in eine priviligierte
Position bringt. Im Gegensatz zu allen anderen Bürgern können Sie direkten Einfluß
auf den weiteren Verlauf der Europolitik nehmen.
Um den bewusst gestreuten Mißverständnissen entgegenzutreten: auch Kritiker der
derzeitig praktizierten Europolitik können begeisterte Europäer sein. Im Antrag
von Herrn Schäffler wird die Einführung des „Europäischen
Stabilitäts-mechanismus“ (ESM) mit guten und berechtigten Argumenten abgelehnt.
Die wichtigsten davon sind: Verschuldete Staaten sollten für ihre
Verbindlichkeiten selbst haften, Kreditgeber sollten ihre Risiken nicht auf die
Steuerzahler abwälzen, Staaten sollten auf Wunsch oder auf Verlangen aus der
Währungsunion austreten können, die Strategie, mit neuen Schulden Zeit zu
kaufen, müßte beendet werden.
Schon mit der Überschrift des Gegenantrags stellt der Parteivorstand die
Realität auf den Kopf. Die Umwandlung einer Währungsunion in eine
Transferunion, die durch den ESM jetzt verewigt werden soll, nennt die
Parteispitze „Stabilitätsunion“. Sie reklamiert in ihrem Antrag zwar das
Beharren auf „automatischen Sanktionen“, verschweigt aber, daß Präsident
Sarkozy Kanzlerin Merkel in Deauville solche längst ausgeredet hat.
Der FDP-Vorstand „lehnt eine zentralistische Wirtschaftsregierung ab“, aber
genau dorthin geht die Reise. Die Parteiführung verspricht Ihnen, für
„Schuldenbremsen in allen Verfassungen der Euro-Staaten“ zu sorgen, sagt Ihnen
aber nicht, daß die Sozialisten in Frankreich, wo die Neu- verschuldung in
diesem Jahr mehr als drei Mal so hoch sein wird wie bei uns, dieses Projekt
gerade beerdigt haben. Sie verspricht „Hilfe nur bei Gegenleistung“, dabei
zeigen die neuesten Entwicklungen in Griechenland, daß diese in einer
Demokratie nicht einmal vom Ministerpräsidenten garantiert werden kann.
Der Vorstand behauptet, sicherstellen zu können, daß „Jeder für seine Schulden
selbst haftet“, dabei konnten selbst die Rücktritte von Bundesbankpräsident
Weber und von EZB-Chefvolkswirt Stark nicht verhindern, dass die EZB inzwischen
170 Milliarden Euro in Staatsanleihen aus Südländern investiert hat, für die
wir im Insolvenzfall mit über 30% haften. Die FDP-Parteispitze reklamiert,
dafür gesorgt zu haben, daß die Erhöhung des neuen Rettungsschirm-volumens auf
211 Milliarden begrenzt ist, vergißt aber zu erwähnen, dass die Zinsen fast
noch einmal so viel ausmachen und dass die Wahrscheinlichkeit, das Geld ganz zu
verlieren, über die (erst von ihr kritisierte und dann akzeptierte) „Hebelung“
auch entsprechend „gehebelt“ wurde.
Auch in seiner Europarhetorik verweigert sich der Vorstand der Realtität. Er
blendet völlig aus, daß die Europolitik, statt zusammenzuführen, für immer mehr
Zwist in Europa sorgt. Als Folge des ständigen Hineinredens in die
Angelegenheiten anderer Länder, schafft diese immer neue Auseinander-setzungen
innerhalb der Eurozone. Gleichzeitig wird der Graben zwischen der Eurozone und
den verbleibenden zehn Nichteuroländern in der EU immer größer.
Zusammenfassend müssen Sie davon ausgehen, das die FDP-Fraktion im Bundestag
dem ESM – koste es was es wolle - zustimmen wird, obwohl kaum eine dieser im
Antrag angekündigten Bedingungen auch nur den Hauch einer Chance hat, erfüllt
zu werden. Der Antrag der Parteispitze endet mit den Worten: „Es entspricht
unserer liberalen Haltung und Tradition, nicht nur Nein zu sagen.“ Wer dem
Antrag von Herrn Schäffler folgt, stellt die Frage, warum die FDP-Spitze in der
Europolitik immer Ja sagen muß, wenn eine klassisch liberale Position nach der
anderen in der Koalition aufgegeben wird.
Statt Wettbewerb ist jetzt Harmonisierung angesagt, statt Subsidiarität wird
auf Zentralismus gesetzt. Mehr noch, als Nebenprodukt von Eurorettungspaketen
soll aus einem Europa der Vaterländer jetzt eine Art Vaterland Europa werden!
Bitte nutzen Sie die historische und einmalige Chance, der Europolitik eine
neue Richtung zu geben und damit auch die FDP wieder für die Wählerinnen und
Wähler zu einer attraktiven Partei zu machen! Stimmen Sie für den Antrag von
Herrn Schäffler.
15.11.2011
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