Kleine Flasche 32
Harald Martenstein zu Lisa Paus´ neuer Idee.
Staatlich finanziertes Denunziantentum!
Harald Martenstein in der WELT:
Neben der Spur
Eine Staatsideologie, der man besser nicht widerspricht
Die neue Meldestelle der Amadeu-Antonio-Stiftung schmeißt das, was sie als „gefährlichen Antifeminismus“ definiert, in einen Topf mit Rechtsterrorismus und Antisemitismus. Das Motto dazu: „Demokratie stärken.“ Nur darf es so etwas in einer Demokratie eben gar nicht geben.
Vor einigen Tagen war ich bei einer Buchvorstellung. Der frühere Innenminister Otto Schily präsentierte „Die große Energiekrise und wie wir sie bewältigen können“ von Fritz Vahrenholt. Beide sind in der SPD, Vahrenholt war Umweltsenator in Hamburg. Sein Buch vertritt die These, dass Deutschland seinen Energiebedarf unmöglich in nur ein paar Jahren komplett mithilfe von Wind und Sonne decken könne.
Schily ist 90 und wirkt ebenso präsent wie sein Generationsgefährte Gerhart Baum. Anders als Baum habe ich ihn aber lange in keiner Talkshow mehr gesehen. Warum nur?
Kommentar von Ulf Poschardt
kombo poschardt baum
Nach der Veranstaltung erschien etwas im Redaktionsnetzwerk Deutschland, einem Zulieferer für viele Zeitungen. Der Autor gab zu, dass er inhaltlich nicht viel gegen Vahrenholt sagen könne. Buch und Autor seien gleichwohl „gefährlich“. Denn sie könnten Leute bestätigen, die gegen die „Energiewende“ in ihrer heute geplanten Form seien.
In dem Text wurde breit geschildert, wer sich da alles an konservativen oder libertären Medien im Publikum der Pressekonferenz „getummelt“ habe, das sprach also auch gegen das Buch. Schily wurde mit der Information vorgestellt, dass dessen Politik einst beim „konservativen Flügel der CDU auf Wohlwollen stieß“. Da wurde mir schlagartig klar, warum Schily heute nicht in Talkshows sitzt.
Ich lebe in einem Land, wo Bücher, die sich nicht mit der Regierungspolitik decken, in ganz normalen Zeitungen als „gefährlich“ bezeichnet werden. Ob den Kollegen, die dieses Etikett verwenden, klar ist, in wessen Nachbarschaft sie sich befinden? Bücher und Meinungen können alles Mögliche sein, oberflächlich, falsch, dumm, unbegründet, aber „gefährlich“ sind sie vor allem dort, wo die Putins und die Erdogans sich tummeln. Gefährlich sind solche Meinungen dort für diejenigen, die sie äußern.
Dankesmail aus dem Wahrheitsministerium
In diesem Sinn wurde jetzt auch die „Meldestelle Antifeminismus“ eingeführt, finanziert mit Regierungsgeld aus dem grünen Familienministerium, betreut von der Amadeu-Antonio-Stiftung, die von einer ehemaligen, langjährigen Stasi-Mitarbeiterin geleitet wird.
Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne)
Dort darf man Personen melden, die sich etwa als Journalisten kritisch über gendergerechte Sprache geäußert haben, Medien, die „antifeministische Narrative“ veröffentlichen, Veranstalter, bei denen Leute auftreten dürfen, denen das Etikett „Antifeminist*in“ aufgeklebt wurde. Die Vorfälle werden dann in einer Liste veröffentlicht.
Anonymität genießen dabei laut der Web-Seite der modernen Hexenjäger nur Angeklagte, die sich nicht öffentlich kritisch geäußert haben, ich vermute, in einer Kneipe. Die „NZZ“ hat es ausprobiert, sie meldete jemanden, der gesagt habe, Gender Studies seien „Geldverschwendung“. Nach nicht mal fünf Minuten kam die Dankesmail aus dem Vorzimmer des Wahrheitsministeriums.
Es lohnt sich, die Website der Meldestelle zu besuchen. Als Beispiel für gefährlichen Antifeminismus gilt es dort, sich öffentlich gegen die Einrichtung weiterer Gleichstellungsstellen auszusprechen. Eine Meinung dieser Art wird dann, kein Witz, mit „Hasskriminalität“, mit „Rechtsterrorismus“ und, dies ist nun wirklich unverschämt, mit „Antisemitismus“ in einen Topf geworfen.
Am schönsten aber ist der Titel des Denunziationsprojektes, es läuft unter dem Namen „Demokratie stärken“. Wäre es nicht wirklich langsam an der Zeit, unser Land offiziell in „Deutsche Demokratische Republik“ umzubenennen?
Wir haben also wieder etwas, das es in einer Demokratie niemals geben dürfte, eine Staatsideologie, der man besser nicht widerspricht. In den linken Diktaturen der Vergangenheit half es Oppositionellen wenig, wenn sie sich selbst für Linke hielten, das beste Beispiel war Wolf Biermann. Auch beim Feminismus, der viel Gutes gebracht hat, bevor er Familienministerin Lisa Paus in die Hände fiel, gibt es viele Strömungen.
Der Feminismus von Alice Schwarzer, die „Frauen“ für eine Realität hält und nicht für ein soziales Konstrukt, ist mit dem offiziellen Staatsfeminismus nicht gemeint. Schwarzer wird von der Stasi-Stiftung als „transfeindlich“ eingestuft. Sicher stehen bald auch Leute auf der Liste, die Schwarzer „ein Podium bieten“.
All diese schönen, alten Sätze, die einem dazu einfallen! Wehret den Anfängen. Die Freiheit stirbt zentimeterweise. Wer sich nicht wehrt, lebt verkehrt. Stimmt. Man darf sich nicht einschüchtern lassen. Wenn’s ganz hart kommt: Für die Freiheit im Knast zu sitzen war immer eine Ehre.
WELT hat übrigens die FDP nach ihrer Meinung zur „Meldestelle Antifeminismus“ gefragt. Von den Liberalen kam keine Antwort. Was seid ihr nur für Feiglinge.
4.3.2023
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