Jorge Semprun - Die große Reise
Beeindruckend.
Gerüst der Erzählung sind die Erfahrungen Sempruns anlässlich seiner Reise in
einem Viehwaggon nach Buchenwald 1942. In mehreren Erzählebenen werden daneben
noch die Erlebnisse nach der Befreiung und vor der Verhaftung geschildert.
"Der Junge aus Semur" taucht immer wieder auf, es handelt sich um
einen Mit"reisenden" (an sich ja ein Euphemismus angesichts der katastrophalen
und menschenverachtenden Umstände, aber der Autor wählt selbst den Begriff der
"Reise"), der zufällig neben Semprun im Waggon steht und mit dem sich
der Erzähler immer wieder austauscht, auch um sich wechselseitig Mut
zuzusprechen.
Der Junge stirbt am Ende der Reise und bleibt zurück.
Selbstverständlich kann Semprun nicht auf die Schilderung barbarischer Vorgänge
verzichten, die Stärke des Buches liegt meines Erachtens aber auch gerade
darin, diese allgegenwärtige Brutalität und Gewalt weit überwigend nicht direkt
zu schildern.
Sie spiegelt sich zwischen den Zeilen und in dem, was Semprun weg
lässt wieder und das hinterlässt einen ungeheuer intensiven Eindruck.
Ähnlich
verfährt der Autor auch bei der Darstellung seines Gemütszustandes nach der
Befreiung, der natürlich geprägt ist vom Erlebten, aber auch von Rachegefüheln,
Ressentiments und gelegentlicher tiefer Melancholie.
Erhebliche Irritation ruft
bei Semprun verständlicherweise die unmittelbare Nähe des Lagers zu der
"normalen" Wohnbesiedelung benachbarter Städte und Dörfer hervor, wir
hier drinnen, die - oft auch entlang der Sperranlagen gut sichtbar flanierend -
da draußen.
Ein wirklich beeindruckendes Werk, mit dem Semprun seine Erlebnisse
im wahrsten Sinne des Wortes "aufgearbeitet" und dem Leser eine
bisher ungewohnte Perspektive verschafft hat.
Ich habe das Buch bereits als knapp Volljähriger gelesen und war damals begeistert. Nach nochmaliger Lektüre weiß ich warum.
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